Die Diskussion über begrenzte Kapazitäten ist richtig

14. September 2016 | Innen und Recht

Die Diskussion über begrenzten Kapazitäten bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist vernünftig und muss weiter geführt werden. Dazu sprach ich am 12.09.2016 im Interview mit dem Deutschlandfunk, das komplette Interview können Sie hier nachlesen:

 

„Uns unterscheidet nur die Flüchtlingsfrage“

Nach dem Gipfeltreffen der Großen Koalition hat der CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Frieser den Vorwurf der Handlungsunfähigkeit zurückgewiesen. Abgesehen von der Flüchtlingsfrage sei man sich mit CDU und auch mit der SPD in allen Bereichen einig, sagte Frieser im Deutschlandfunk.

Frieser räumte ein, die Koalition müsse sich in der Flüchtlingsfrage zusammenraufen. Hier liege vor allem ein Streit um Worte vor. Der CSU sei es aber egal, ob man eine Kontrolle der Einwanderung am Ende eine Obergrenze nenne. Die von CSU-Chef Horst genannte Zahl von 200.000 Migranten sei lediglich eine Zielmarke. Kein Mensch werde sagen: Beim 201-tausendsten Flüchtling ist die Tür zu.

„In allen anderen Bereichen mit CDU und SPD einig“

Frieser betonte, in der Flüchtlingsfrage habe die Koalition seit einem Jahr schon viel erreicht. Hier habe sich die Politik um 180 Grad gedreht, es seien entscheidende Weichenstellungen vorgenommen worden. Dies zeige, dass die CSU in der Koalition inhaltlich durchdringe. Eigentlich gehe es nur noch um die Fragen der Grenzkontrolle und der Aufnahmefähigkeit Deutschlands, so Frieser. In allen anderen Bereichen sei man mit der CDU und nach viel Druck, Geduld sowie Überzeugungsarbeit auch mit der SPD einig.

„Merkel hat viel getan – auch in der Flüchtlingsfrage“

Der CSU-Innenpolitiker betonte, seine Partei mach sich den Slogan „Merkel muss weg“ nicht zu eigen. Die Kanzlerin habe wahnsinnig viel getan – auch in der Flüchtlingsfrage. Konstruktive Kritik gehöre aber dazu. Die Menschen wollten nicht nur hören, dass wir es schaffen, sondern auch wie und mit welchen Mitteln die geschehen solle.


Das Interview in voller Länge:

Sandra Schulz: Seit einem Jahr streiten die Schwesterparteien von CDU und CSU jetzt um die Flüchtlingspolitik. CSU-Chef Horst Seehofer fordert eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr und eine Kurskorrektur. CDU-Chefin Angela Merkel lehnt die ab. An dieser Konfliktlinie haben auch die beiden gestrigen Spitzentreffen nichts geändert, zwei Stunden Merkel und Seehofer und ungefähr auch zwei Stunden Merkel, Seehofer und Gabriel, was im Fall des Dreiertreffens auch daran lag, dass das Thema gar nicht zur Sprache kam.

Nachdem die CSU das Flüchtlingsthema in den vergangenen Wochen, in der vergangenen Woche, genauer gesagt, jetzt wieder dringlich gemacht hat, nachdem die AfD in Mecklenburg-Vorpommern die CDU erstmals überholt hat, wollen wir darüber in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist Michael Frieser, der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Guten Morgen.

Begrenzung der Zuwanderung – „ein Symbol, das die Menschen wirklich haben wollen“

Michael Frieser: Einen wunderschönen guten Morgen.

Schulz: Jetzt hat die CSU die Frage nach der Obergrenze in der vergangenen Woche ja wieder zu einem ganz wichtigen Thema gemacht. Wie groß ist heute Morgen Ihre Enttäuschung?

Frieser: Da ich gestern wie so viele bei diesem Gespräch der Parteivorsitzenden nicht anwesend war, kann ich gar nicht über meine Enttäuschung reden. Aber es ist klar: Wenn sich der Parteivorstand der CSU zusammenfindet und mal wieder grundsätzlich über unsere ganz zentralen Forderungen insbesondere natürlich zum Thema Zuwanderung und Flüchtlinge und Ähnliches redet, dann ist die Obergrenze ein Thema, also die Begrenzung der Zuwanderung, etwas was die Menschen als Zeichen und Symbol wirklich haben wollen. Insofern kann ich gar nicht sagen, dass ich enttäuscht bin. Ich habe eigentlich nichts anderes erwartet gestern.

Schulz: Zumal, wenn ich es richtig verstanden habe, diese Obergrenze nun erwartungsgemäß auch gestern nicht verabredet wurde. Das war Ihnen jetzt auch schon klar. Deswegen sind Sie nicht enttäuscht?

Frieser: Nein. Um Gottes willen! Ich bin im Augenblick über die Gesamtsituation natürlich sehr unzufrieden, denn wir müssen uns bei der Frage ja irgendwann mal zusammenraufen. Ich finde, es wurde ein Streit um Worte. Ganz ehrlich! Auch der CSU ist es egal, ob Sie das zum Schluss Obergrenze nennen. Aber wer sich mit dem Thema zum Beispiel europäische Kontingente beschäftigt, das bedeutet, wie viele Menschen soll welches Land in Europa tatsächlich aufnehmen, der redet doch automatisch über Obergrenzen. Wer zugibt, dass Deutschland in seinen Kapazitäten beschränkt ist, der muss doch einmal irgendwann sagen, an dieser Stelle können wir so und so vielen Menschen Schutz gewähren, sie aufnehmen und integrieren, und dann muss aber ein anderes Land dafür eintreten. Ich glaube, das ist relativ vernünftig. Insofern halte ich die Diskussion für richtig und die wird auch weiter geführt werden müssen.

„Kein Mensch wird sagen, nach 200.000 und eins ist die Tür zu“

Schulz: Herr Frieser, aber Sie wollen ja, wenn ich es richtig weiß, nicht irgendeine Obergrenze, sondern Sie wollen die klare Begrenzung auf 200.000, gegen die die Kanzlerin sich jetzt seit ziemlich genau einem Jahr sperrt. Kann es sein, dass Horst Seehofer sich da schlicht verrannt hat?

Frieser: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass wir in Anbetracht der Erlebnisse des vergangenen Jahres und auch bereits der Zahlen, die wir in diesem Jahr erreicht haben, deutlich sagen müssen, dass wir eine Grenze haben, denn wir leiden ja nicht allein in Laborsituationen unter der Frage, sondern wir haben ja die 1,15 Millionen Menschen des letzten Jahres noch zu versorgen, zu integrieren. Diese ganzen Aufgaben und Herausforderungen kommen ja noch. Also glaube ich, dass diese Marke, die natürlich eine gegriffene ist – kein Mensch wird sagen, nach 200.000 und eins ist die Tür zu, sondern die entscheidende Frage ist jetzt, was ist die Zielmarke, wo müssen wir hin, worauf sollen wir uns eigentlich einrichten. Das ist doch der Hauptvorwurf an die Politik, dass man sagt, ihr richtet euch gar nicht richtig ein auf die entscheidenden Zahlen. Also muss man diese Zahlen mal definieren. Ich kann nicht sehen, dass der Parteivorsitzende Horst Seehofer sich hier verrannt hat.

Schulz: Sie fordern das jetzt aber schon so lange, ohne inhaltlich durchzudringen. Was haben Sie denn da jetzt noch im Köcher?

Frieser: Glauben Sie nicht, dass wir tatsächlich nicht inhaltlich durchdringen? Ich meine, so sehr man auch politisch medial darüber reden mag, wie fest hier die Kanzlerin agiert, es ist ja so, dass sich die grundlegende Politik zum Thema Flüchtlinge und Zuwanderung in diesem Land um 180 Grad gedreht hat. Wir machen doch seit acht Monaten nichts anderes, als genau diese entscheidenden Weichenstellungen vorzunehmen, und das ist auch mit ein Grund, warum die Zahlen ja nach unten gehen. Das hat nicht nur was mit der Grenze in Mazedonien zu tun. Insofern: Inhaltlich, glaube ich, haben Sie Recht, wenn es um die entscheidende Frage geht, wie schaut es mit Grenzsicherung und Begrenzung aus, aber inhaltlich haben wir bei dem Thema Flüchtlinge doch sehr wohl ein ganzes Stück vorangegangen.

„Man muss sich nicht immer mit der AfD gleichsetzen lassen“

Schulz: Und die CSU-Politiker, die in der letzten Woche wieder gefordert haben, dass Merkel jetzt eine Kurskorrektur vornehmen solle, die haben das schlichtweg nicht mitbekommen? Oder wie erklären Sie sich das?

Frieser: Das ist eine sehr schöne Frage, Frau Schulz. Aber ich glaube, die haben das sehr genau mitbekommen. Denn jeder, der als Abgeordneter, als Politiker auf der Straße unterwegs ist, weiß, worüber die Menschen sich Gedanken machen. Noch mal: Ich darf noch mal entscheidend darauf hinweisen, dass es eigentlich wirklich nur in dieser einzigen Frage, nämlich müssen wir unsere nationalen Grenzen schützen, solange Europas Grenzen offen sind, und wieviel Menschen wollen wir eigentlich auf Dauer Zuflucht gewähren, nur diese eine Frage entscheidet uns. In allen anderen Fragen sind wir mit den Kollegen von der CDU und übrigens auch nach sehr viel Druck, nach sehr viel Geduld, nach sehr viel Überzeugungsarbeit mit den Kollegen der SPD in der Koalition einig.

Schulz: Aber dann erklären Sie uns doch noch mal die drastische Wortwahl auch von Ihrem Parteichef Horst Seehofer aus der vergangenen Woche. Er sagt nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern, die Menschen wollen diese Berliner Politik nicht. Das ist ja eigentlich eine ziemlich Aufsehen erregende Aussage für einen Chef einer Partei, die Teil der Großen Koalition in Berlin ist. Diese Skepsis gegenüber der Berliner Politik, was ist denn da der Unterschied zur AfD?

Frieser: Ich mag auch wirklich langsam nicht mehr diese Frage immer mit dieser Pompfe, mit dieser ausgepackten rhetorischen. Das macht den Menschen allenfalls Sorge und Angst. Aber man muss sich doch nicht immer mit der AfD gleichsetzen lassen. Was Horst Seehofer eindeutig meint ist die Tatsache, dass natürlich in Person der Kanzlerin (für wen soll es denn sonst stehen, diese Berliner Republik und diese Koalition), dass sie in dieser Frage anscheinend das, was die Menschen umtreibt, die Sorge, die die Menschen haben für die Zukunft dieses Landes, nicht wirklich in Worte kleidet. Das heißt ihre Politik erklärt auf der einen Seite, sondern beharrend auf diesem Satz „Wir schaffen das!“, wo die Menschen sich aber eigentlich wünschen, erklär mir doch bitte, was wir, wie wir es schaffen, wann wir es schaffen, mit welchen Mitteln. Danach dürsten die Menschen und das ist etwas, was Horst Seehofer mit Recht kritisiert, dass es hier zu wenig Signale, dass es hier zu wenig auch politische Handreichung aus Berlin, aus der Zentrale auch von der Bundeskanzlerin gibt.

Wichtig ist vorerst nicht die Kanzlerfrage, „sondern die Frage über Inhalte“

Schulz: Jetzt gibt es von der CDU natürlich die Replik, dass die Kanzlerin das ja nun seit einem Jahr erklärt, aber wenn ein CSU-Chef immer wieder sagt, es gibt eine Herrschaft des Unrechts, sogar mit dem Gang nach Karlsruhe droht, dass sie damit vielleicht dann auch nicht so durchkommt. – Ich wollte Sie gerne noch fragen, weil wir bei der AfD waren: Wir wird bei der CSU denn der Satz gesehen, Merkel muss weg?

Frieser: Der Satz, den machen wir uns weder zu eigen, noch stammt er aus der CSU. Dass es Menschen gibt, die so denken, das ist in einer Demokratie Gang und Gebe. Und ich glaube, auch damit muss man in der Politik leben können. Angela Merkel hat wahnsinnig viel, wenn ich das sagen darf, Frau Schulz, getan in dieser Frage, auch in der Flüchtlingsfrage, und deshalb, glaube ich, sind wir gut beraten, uns miteinander über diese Frage zu unterhalten. Da gehört aber konstruktive Kritik auch dazu.

Schulz: Aber den Satz unterschrieben Sie nicht? Das heißt umgekehrt: Wenn Merkel nicht weg soll, dann könnten Sie doch hier und jetzt (oder die CSU) die Unterstützung für die nächste Kanzlerkandidatur erklären.

Frieser: Frau Schulz, wenn die Welt so einfach wäre, was bräuchte es dann so viele Abgeordnete und diejenigen, die in der Politik zusammen sind. Die Koalitionsfrage ist nicht entscheidend, auch nicht die Kanzlerfrage, sondern die Frage über diese Inhalte. Und wir haben lange Zeit – gerade die medialen Zyklen zeigen uns, wie kurzfristig diese Welt ist. Wir müssen diese Frage hinten anstellen. So hat Angela Merkel es auch erklärt. Sie will das erst im Frühjahr entscheiden. Das ist ihr gutes Recht. Das halten wir für sinnvoll. Wir werden uns inhaltlich mit der CDU und mit der SPD auseinandersetzen müssen. Dann werden die personalen Fragen geklärt.

Schulz: Der CSU-Innenpolitiker und Bundestagsabgeordnete Michael Frieser heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank Ihnen.

Frieser: Einen schönen Tag! Adieu!

 

Quelle: www.deutschlandfunk.de

 

 

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