Heute wollten wir den hervorragenden Juristen Prof. Dr. Günter Spinner zum Nachfolger von Dr. Christ am Bundesverfassungsgericht wählen. In einem weiteren Wahlgang sollten auch zwei SPD-Kandidatinnen gewählt werden. Eine davon war die zuvor unbekannte und nun umstrittene Frau Prof. Frauke Brosius-Gersdorf. Nun gab es keine Wahlen, keine neuen Richter und der linke und rechte Rand sind sich einig: Schuld hat die Union.

Was ist tatsächlich passiert?

Die Wahl der Richter für das Bundesverfassungsgericht ist eine der wichtigsten verfassungsmäßigen Aufgaben. In Zeiten herausfordernder Mehrheitsverhältnisse ein sehr schwieriges Unterfangen. In unserer parlamentarischen Demokratie gehören Kompromisse zum politischen Alltag. Sie werden mit dem schwindenden Einfluss der politischen Mitte aber zunehmend schwieriger und schmerzhafter.

Die Nominierung von Prof. Frauke Brosius-Gersdorf war bei weitem nicht der Skandal, zu dem sie hochstilisiert wurde. Sie ist nicht ultra-links, wie es die mediale Berichterstattung mit der Hoffnung auf einen handfesten, gut zu vermarktenden Koalitionsstreit gerne darstellt. Sie wäre keine Kandidatin für die Union, dafür sind uns ihre gesellschaftspolitischen Ansichten zu fremd. Aber sie ist eine sehr gute Juristin wurde durch die SPD nominiert. Heute Morgen hat sich aber herausgestellt, dass sie nicht über jeden fachlichen Zweifel erhaben ist, da begründete Plagiatsvorwürfe erhoben wurden. Wir können nicht sehenden Auges eine Kandidatin in unser höchstes Gericht wählen, solange diese Vorwürfe nicht ausgeräumt sind.

Es zeigte sich aber heute, dass die Debatte jedes Maß verloren hat. Die Richterwahl wurde erfolgreich dazu genutzt, um die Union von allen Seiten anzugreifen. Die eine Seite klagt, eine einzelne Richterin könne die gesamte Rechtsprechung unseres höchsten Gerichts im Alleingang verändern und die Union würde sehenden Auges Deutschland den Linken überlassen. Die andere Seite beklagt, die Union hätte eine weibliche Kandidatin beschädigt, um sich der AfD anzubiedern.

Gerade in der aktuellen politischen Lage ist es wichtiger denn je, die Handlungsfähigkeit unserer demokratischen Institutionen zu sichern. Nach den Bundestagswahlen im Februar sind die politischen Ränder so stark wie nie zuvor vertreten. Die Arbeitsfähigkeit unseres höchsten Gerichts darf nicht durch parteitaktische Erwägungen im Bundestag gefährdet werden.

Wie bereits vor der Wahl will die mediale Empörungswelle nur den Parteien der Mitte schaden und den linken und rechten Rand stärken. In der Koalition mit der SPD haben wir die Verantwortung übernommen, die bestmögliche Politik unter den gegebenen Mehrheitsverhältnissen zu gestalten. Das bedeutet auch, tragfähige Kompromisse zu ermöglichen. Wir wären alle gut beraten, uns nicht durch überzogene Berichterstattung instrumentalisieren und aufhetzen zu lassen.

Wir wollen den Politikwechsel in den kommenden Wochen und Monaten weiter zielgerichtet fortsetzen. Auf diesem Weg müssen wir widerstandsfähig gegenüber der Empörung von links und rechts sein. Für diesen klaren politischen Kurs bitte ich um Unterstützung.

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