Vor einem Monat hat sich das Bundeskabinett auf einen Kompromiss zur Schaffung eines neuen Wehrdienstes geeinigt. Im Fokus: Freiwilligkeit und attraktive Anreize für eine zügigen Aufwuchs der Streitkräfte. Mit Blick auf substantielle Zweifel innerhalb der Bundeswehr, dass die Zielmarke bei der Truppenstärke allein mit Freiwilligkeit erreicht werden kann, haben wir als Unionsfraktion schon im September klar gemacht, dass wir im nun anstehenden parlamentarischen Verfahren zum Wehrdienst darauf achten müssen, dass wir durch diesen Kompromiss nicht einfach nur Zeit verlieren (Lesen Sie hierzu zum Beispiel meinen Beitrag vom 12. September).

Wir waren und sind im Grundsatz weiterhin auf einem guten Weg, das Gesetz so anzupassen, dass der Aufwuchs so klar und konsequent umgesetzt werden kann, wie das die aktuelle Sicherheitslage in Europa erforderlich macht. Ein zwischen der CDU/CSU und der SPD geeintes Verhandlungsergebnis konnte am Dienstag kurzfristig nicht vorgestellt werden, weil der Bundesverteidigungsminister interveniert hatte, was zu einer veränderten Lage innerhalb der SPD-Fraktion geführt hat.

Das zitierte Verhandlungsergebnis mit der SPD basiert auf einem Stufenmodell, das zunächst weiterhin Freiwilligkeit vorsieht und gleichzeitig eine Bedarfswehrpflicht vorbereitet, wenn die Freiwilligkeit nicht ausreicht. Zur Erfüllung der NATO-Zusagen wurde ein verbindlicher Aufwuchspfad mit klaren Zielkorridoren für mindestens 260.000 Aktive und 200.000 Reservisten vereinbart. Konkret heißt das:

  1. Wir setzen zunächst auf Freiwilligkeit. Die Wehrerfassung erfolgt über den für Männer verpflichtenden Fragebogen, der Motivation und Eignung erfasst.
  2. Reicht das nicht, wird in einer zweiten Stufe mittels eines Zufallsverfahrens bestimmt, wer zur verpflichtenden Musterung erscheinen muss.
  3. Falls sich trotz Attraktivitätssteigerung, intensiver Werbung und direkter Ansprache nicht genügend Freiwillige gewinnen lassen, greift nach einem erneuten Gesetzesbeschluss Bundestages in Stufe drei eine verfassungsrechtlich abgesicherte Bedarfswehrpflicht. Dabei werden dann, an den Bedarfen der Bundeswehr orientiert, durch ein Zufallsverfahren ausgewählte Männer für den Wehrdienst verpflichtet. Einen Automatismus zur Aktivierung der dritten Stufe wird es dabei nicht geben. Wer den Wehrdienst verweigert, muss einen Ersatzdienst leisten.
  4. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall, welcher mit Zweidrittelmehrheit des Bundestages festgestellt werden muss, wird eine allgemeine Wehrpflicht aktiviert.

Bei der erstmaligen Beratung des Themas im Parlament am gestrigen Donnerstag gab es noch keine finale Einigung, die Debatte zwischen Union, SPD und Verteidigungsminister Pistorius verlief aber ausgesprochen sachlich und konstruktiv. Alle Seiten signalisierten ihre Kompromissbereitschaft für die weiteren Verhandlungen.

Es ist legitim, über weitreichende Entscheidungen hart in der Sache zu diskutieren. Gleichzeitig ist allen bewusst: Wir brauchen zeitnah eine tragfähige Lösung, die der aktuellen sicherheitspolitischen Lage gerecht wird. Putin interessiert sich weder für Stichtage noch für Kabinettstermine. Abschreckung entsteht nicht durch Zeitpläne, sondern durch Substanz – konkret: durch tatsächlich erreichte Personalstärken.

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