Interview der Nürnberger Nachrichten vom 21.02.2024, Interview: Harald Baumer

Hauptstadt-Kolumne | CSU-Fraktionsjustiziar Michael Frieser aus Nürnberg zum Verhalten gegenüber der AfD.

Mit originellen Politik-Videos in den sozialen Netzwerken hat der Nürnberger CSU-Abgeordnete und Fraktionsjustiziar Michael Frieser schon für einiges Aufsehen gesorgt. Der 59-Jährige will dieses Feld nicht der AfD überlassen und hat auch sonst einige Vorschläge für den Umgang mit der Partei.

Es ist immer wieder zu hören, Deutschlands Verfassungsgerichte und Parlamentspräsidien müssten besser geschützt werden vor einer künftigen Einflussnahme der AfD. Noch gebe es die Mehrheiten dafür, solche Gesetze zu beschließen. Was halten Sie davon?

Tatsächlich mehren sich die Stimmen derer, die unsere Demokratie durch Verbote und Grundgesetzänderungen schützen wollen. Es ist ja auch richtig, dass unsere freiheitlich, demokratische Grundordnung verteidigt werden muss. Aber das muss durch ihre gemeinsame Stärkung geschehen und nicht durch Abschirmung. Das bedient nur das Spiel der Demokratiefeinde. Wer den Untergang unseres Landes herbei schreibt, weil eine Partei am rechten Rand erstarkt, der erweist allen Demokraten einen Bärendienst.

Was genau meinen Sie denn mit einer „Stärkung“ der Demokratie?

Die Menschen, die gegen Extremismus zu tausenden auf die Straße gehen und den Mythos von der angeblich schweigenden, rechtsradikalen Mehrheit eindrucksvoll Lügen gestraft haben, haben mehr für die Stärkung der Demokratie getan als jene, die in jedem Treffen Rechtsextremer einen Grund zur Panik sehen. Dem Narrativ, man dürfe nichts mehr sagen, tritt man nicht durch Sprechverbote entgegen, sondern mit einer starken und überzeugenden Gegenrede.

Sie selbst praktizieren diese Gegenrede intensiv in den sozialen Netzwerken – also genau dort, wo die AfD sehr aktiv ist. Müsste da nicht deutlich mehr geschehen, auch von Seiten der Union?

Mit einem riesigen Aufwand an Mensch und Kapital aus dubiosen Quellen betreibt die AfD genau wie teils hybride Angriffe und Desinformation russischer Herkunft ihre Attacken gegen die freiheitliche Demokratie. Wir müssen unsere Anstrengungen deutlich mehr auf dieses Feld der Auseinandersetzung richten, das gilt auch für die Union. Aber jeder Einzelne ist gefragt hier gegenzuhalten.

Um zu den geforderten Gesetzesänderungen zurückzukommen. Sehen Sie denn überhaupt keine Gefahr für das Bundesverfassungsgericht?

Unsere obersten Gerichte sind durch Deutschlands föderale Struktur und das notwendige Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Richterwahl davor gefeit, dass eine einzige Partei die Macht über das deutsche Justizwesen erlangt. Wer diese Debatte befeuert, misst der AfD eine größere Bedeutung zu, als sie hat.

Wäre es denn nicht sinnvoll, eine Zweidrittelmehrheit zur Wahl von Richtern des Bundesverfassungsgerichts einzuführen?

Das würde aber auch das Einführen einer Sperrminorität von einem Drittel bedeuten und damit dieser Minderheit die Macht geben, notwendige Veränderungen zu blockieren. Aber das außergewöhnlich gute Funktionieren und das hohe Vertrauen, das das Bundesverfassungsgericht über die Jahre erworben hat, könnten und sollten wir schon sichern, indem man zum Beispiel die Anzahl der Richter und Senate oder das Selbstbefassungsrecht dieses Gerichtes festschreibt.

Wenn wir mal das Blickfeld etwas ausweiten: Welche „Vorsichtsmaßnahmen“ gegen politische Populisten jeder Couleur hielten Sie denn für sinnvoll?

Demokratiefeinde dürfen nie unterschätzt werden, sie dürfen aber auch kein Anlass für überhastete und wenig durchdachte Manöver sein und schon gar nicht in dieses bewusst provozierte Klima der Angst zu verfallen. Ich wehre mich vor allem dagegen, dass man die politische Auseinandersetzung zunehmend scheut, um dann ins Juristische abzudriften. Man verhindert nicht, dass vom Verfassungsschutz beobachtete Parteien gewählt werden, indem man sie verbietet, weil ihre Wähler dann immer noch Teil dieser Gesellschaft sind, sondern in dem man Politik macht, die die Wählerinnen und Wähler mehr überzeugt. Ehemalige Volksparteien wie die SPD, aber auch die Grünen, täten in diesem Zusammenhang gut daran, konservative Anliegen und Rechtsextremismus nicht gleich zu stellen und alles, was nicht ihrer Vorstellung entspricht, als demokratieschädlich abzutun.

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